"Ein Muster an Zwist" nennt Sebastian Balzter seinen spannenden Artikel in der FAZ vom 12. Oktober 2019. Anlass dazu bietet Norwegen als Gastland an der Deutschen Buchmesse in Frankfurt. Dort finden am Sonntag ein Gespräch und ein Workshop mit der norwegischen Strickhistorikerin Annemor Sundbø statt, die auch das Buch "Setesdal Sweaters" geschrieben hat, das ich leider bisher nicht einmal antiquarisch zu einem bezahlbaren Preis gefunden habe.
Das Setesdal ist ein Tal im Süden von Norwegen, in dem im 19. Jahrhundert die traditionellen norwegischen Muster entstanden sind. Ursprünglich wurde nur schwarze und weisse Wolle verwendet, den Farben der Schafe entsprechend. Heute sind die klassischen Farben der Lusekofte, wie die Pullover in Norwegen heissen, blau, weiss und rot wie die Nationalflagge. Eine ganz bestimmte Auswahl und Anordnung der Muster muss sein, damit ein solcher Pullover als "Marius" bezeichnet werden darf. Berühmt geworden ist dieses Modell durch den Kriegshelden und späteren Skirennfahrer und Schauspieler Marius Eriksen:

Er hat den Pullover 1954 auf dem Titelblatt des Strickheftes Strikk Ess getragen, das von Sandnes Uldvarefabrik herausgegeben wurde, und im gleichen Jahr auch im Film "Troll i Ord", wo er einen Skilehrer gespielt hat. Heute ist der Pullover in Norwegen Kult. Der Zwist im Titel des FAZ-Artikels meint den Streit um das Urheberrecht des Musters. Im Urteil der Strickhistorikerin Annemor Sundbø gehört die Ehre Unn Søiland Dale, der es aber nie gelungen ist, diesen Anspruch auch rechtlich geltend zu machen.
Der Stellenwert des Strickens in Norwegen lässt ich wohl auch daran messen, dass Annemor Sundbø seit 2011 zu den norwegischen Künstlern gehört, die vom Staat ein lebenslängliches Stipendium bekommen.